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Hansi Helds Corona-Abenteuer


Hansi ist gerade 27 Jahre geworden, kommt mit seinem Gehgestell umständlich, aber selbstständig von der Stelle, seine Psychose ist medikamentös ganz gut eingestellt und er fühlt sich in seinem Wohnheim in Graz ganz wohl. Aber ab Karfreitag ist die Behindertenwerkstatt geschlossen, weshalb wohl auf einmal Hansi das starke Verlangen packt, seine Mama zu besuchen. In Amsterdam. Mama muss am Samstag bis 15 Uhr arbeiten, aber wenn er dann überraschend vor ihr stünde, wird sie sich bestimmt toll freuen! Das Taschengeld für April ist zum Glück noch nicht ausgegeben, Hansi hat noch eine Kopie seines Reisepasses, stopft die in seine  Jackentasche und macht sich auf den Weg zum Bahnhof. Er kauft sich für den gleichen Tag eine Fahrkarte bis Köln, von da wird es schon irgendwie weitergehen. Letztes Mal ist er nur bis Würzburg gekommen, weil er beim Umsteigen blöd gefallen ist und da ins Krankenhaus musste. Diesmal wird er aufpassen.
Am anderen Morgen ist er endlich in Köln; Hunger und Durst hat er gar nicht, obwohl auf seinem Gehgestell ein Aufkleber ist "Bitte zum Trinken auffordern" Es ist schon aufregend, allein in der Fremde unterwegs zu sein. Aber er hat ja genügend Geld dabei - wenn er etwas braucht, kauft er es sich einfach! Aber jetzt wollen sie ihm in Köln-Hauptbahnhof keine Fahrkarte nach Amsterdam verkaufen, obwohl er das Geld dahinlegt. Er benötige einen negativen PCR-Test. Ein Bahnbeamter bringt ihn zur Bahnhofsmission; da sind drei nette junge Männer, alle so jung wie er. Total freundlich, aber diese Piefkes, die lange zugehört haben, sprechen jetzt echt schnell, zu schnell. Sie versuchen, seine Mutter in Holland telefonisch zu erreichen - vielleicht kann ihn die ja mit dem Auto hier abholen. Die Nummer funktioniert nicht. Dann gehen sie mit ihm zur Corona-Teststation im Bahnhof. Gut, dass er sein ganzes Geld mitgenommen hat! Der Test ist nicht schlimm, das machen die im Heim ja auch immer. Bloß: das Testergebnis soll erst in 72 Stunden da sein.
Zurück in der Bahnhofsmission wird telefoniert und geredet, und dann sagt einer der Jungs, sie hätten für heute Nacht einen Notschlafplatz für ihn. Hansi kommt jetzt doch der Gedanke an ein Essen. Schoki und Limo tut`s auch und beim Bezahlen sieht er, dass in der Geldbörse die neue Telefonnummer von Mama steckt. Damit kann man es ja nochmal versuchen.
In der Bahnhofsmission ist mittäglicher Schichtwechsel; jetzt sind zwei Frauen da: die ältere sieht ein bisschen aus wie das Fräulein in der Vorschule und die junge hat fast goldenes Haar. Mit der neuen Telefonnummer hat die goldene Frau mit Mama gesprochen. Mamas Auto ist kaputt, deshalb kann sie ihn nicht abholen. Dann spricht die Frau noch mit dem Heim und erfährt, dass die Polizei Hansi suche, sein Betreuer gleich zurückrufen werde und sich kümmere. Vielleicht würde die Polizei ihn ja verhaften, hofft Hansi, dann könnte er bei denen schlafen. Die Frauen suchen in ihrem Computer und telefonieren viel. Er versteht nicht alles, die Junge kommt irgendwann und sagt, sie hätte Herrn Schicklgruber, seinen Betreuer erreicht. Den interessiert das nicht: „Das ist jetzt Ihr Problem, nicht meins.“ „Paßt scho,“ meint Hansi traurig, er kennt ja Herrn Schicklgruber. Nach weiteren Telefonaten wissen die Damen, das Hansi unbedingt seine Medikamente  bräuchte. Vielleicht wäre er am besten im Krankenhaus aufgehoben. Nach einem Anruf bei 112, bei dem die nicht dringliche Notlage ausführlich geschildert worden war, steht die Rettung mit drei tatkräftigen Sanitätern auf Bahnsteig 1 vor der Bahnhofsmission. Es wird laut. Eine sehr kleine Rettungsfrau baut sich vor Hansi auf und fragt, ob er einen psychotischen Schub habe. „Na!“ Dann seien sie hier falsch. Sie will wissen, wo er denn eigentlich hinwolle. Zur Mama, ist doch klar! Alle sind am Diskutieren, Hansi weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Jetzt ruft die Frau von der Rettung Herrn Schicklgruber an und sagt, er müsse sich kümmern. Hansi ist inzwischen nur noch ein Problem, das niemand haben will! Alle überlegen, wie er an seine Medikamente kommen könnte. Es wird nochmal telefoniert. Endlich findet sich eine Tagesklinik, die einen Notfalldient hat. Die Beiden von der Bahnhofsmission gehen mit Hansi zum Taxistand, vorsichtig wird er in ein Auto bugsiert, das riesige Gehgestell passt so gerade in den Kofferraum. Aber Mama weiß doch jetzt gar nicht, was mit ihm ist. Die junge Blonde verspricht, seiner Mama Bescheid zu geben. Als sie sich verabschiedet und ihm das Papier mit der Anschrift der Notschlafstelle in die Hand drückt, fällt ihm ein, an wen sie ihn erinnert: „Sie sind genauso schön und genauso nett wie Schwester Friederike aus dem Linzer Spital."

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